“Führen und Folgen” von Mark van Vugt

Bitte nicht wundern, dass ich mir mal wieder einen aktuellen Artikel aus dem Spektrum der Wissenschaft vornehme - ich habe diese Zeitschrift einfach seit vielen Jahren abonniert und verzichte bei Themen, die mich im Augenblick nur am Rande interessieren einfach aus Bequemlichkeit auf weitergehende Recherchen. Gelegentlich ärgert mich aber auch einfach der Unsinn, der in “meiner” Zeitschrift verbreitet wird - so wie in diesem Fall.

Mal wieder haben wir es hier mit einem Autor zu tun, der uns zeigen will, wie man ein Phänomen unter Nutzung der evolutionstheoretischen Perspektive besser verstehen kann. Dumm nur, dass diese Perspektive bei ihm - in schlechter Evolutionspsychologischer Tradition - einiges zu wünschen übrig läßt.

Während in dem unmittelbar vorangehenden Artikel im gleichen Heft die Autoren darüber nachdenken, welche Innovationen beim Übergang zum modernen Verhalten vor 40 bis 70 Tausend Jahren den sozialen Zusammenhang gefördert haben könnten, setzt van Vugt ganz selbstverständlich voraus, dass der gesellschaftliche Aufbau im Zeitraum zwischen 2.5 Millionen und 13 Tausend Jahren vor unserer Zeit im Prinzip unverändert blieb. Infolge dessen setzt er egalitäre Gesellschaften als Standard-Gesellschaftstyp für den gesamten aus Sicht der Gehirnentwicklung interessanten Evolutionszeitraum einfach voraus. Dabei ist dies nichts weiter als eine Hypothese, die durch keinerlei Daten gestützt wird, denn vergleichende Untersuchungen an Naturvölkern erlauben maximal eine Rekonstruktion des Verhaltens bis zur Ursprungspopulation unserer Vorfahren vor ca. 60 - 70 Tausend Jahren. Und die archeologischen Belege sprechen - wie der Hinweis auf den vorangegangenen Artikel bereits nahelegt - längst gegen diese Hypothese.

Darüber hinaus sieht sich der Autor auch noch genötigt Gruppenselektion für den Verlauf der organischen Evolution beim Menschen zu bemühen, was seine Schlussfolgerungen gerade aus evolutionstheoretischer Sicht noch fragwürdiger macht.

Bei den egalitären Gesellschaften sorgen zahlreiche kulturelle Maßnahmen dafür, dass das angeborene Macht- und Dominanzstreben ranghoher Männer die Gesellschaft nicht destabilisiert. Der Widerspruch zwischen angeborenen Neigungen und kulturell zulässigen Optionen ist bereits deutlich ausgeprägt und weist darauf hin, dass dies eben nicht die soziale Organisationsform ist, an die wir über Jahrmillionen hinweg biologisch angepasst worden sind.

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