“The ontogeny of throwing and striking” von Richard W. Young

Dieser Übersichtsartikel erschien in Human Ontogenetics 3(1), 2009.

Ziel dieses sehr informativen und lesenswerten Artikels war die Klärung der Frage, ob es sich beim Werfen (und der anatomisch verwandten Tätigkeit des Keulenschwingens) um eine angeborene, oder aber um eine kulturell überlieferte, erlernte Tätigkeit handelt. Verglichen wurde die Entwicklung der entsprechenden Fähigkeiten bei Heranwachsenden beiden Geschlechts in verschiedenem kulturellen Umfeld. Das Ergebnis fällt eindeutig aus und errinnert mich an eine Sprachregelung bei den Sprachforschern. Es hat sich hier eingebürgert von einem “instinct to learn” bei der Sprachentwicklung zu sprechen. Während sich jedoch in der Sprachentwicklung die Kinder an ihrem sozialen Umfeld orientieren, um die hier aktuelle Sprache zu erlernen, erlernen Kinder überall auf der Welt, die sich im Werfen üben immer den gleichen, hochkomplizierten Bewegungsablauf und folgen dabei offensichtlich immer dem gleichen “Entwicklungsprogramm” das letztendlich genau zu dem Bewegungsablauf führt, den Spitzenathleten rund um die Welt auch nutzen. Tradierte Informationen scheinen kaum eine Rolle zu spielen. Genetische Vorgaben und Übung machen hier den Meister.

Jungs durchlaufen diesen Entwicklungsprozess schneller als Mädchen - auch dann wenn in beiden Fällen ausgesprochen viel geübt wird (dies ist eher die Ausnahme, da Mädchen in der Regel weniger werfen). Mangelnde Übung im Kindesalter führt dazu, daß dieser angeborene Entwicklungsprozess “steckenbleibt”. In unserer Zeit ist dies die Regel (Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Vertreter der deutschen Speerwerfer-Nationalmannschaft anlässlich der Eröffnung einer Ausstellung zum Thema Werfen, die Hermann Rieder organisiert hatte. Dieser Sportler berichtete mir von einer Exkursion - ich glaube nach Neuguinea - bei der er etwa sechsjährige Kinder bei Wurfspielen beobachtet hatte. Diese Kinder legten nach seinem Urteil einen perfekten Bewegungsablauf an den Tag, während viele hoffnungsvolle Nachwuchssportler in Deutschland in einem Alter von etwa 12-14 Jahren genau dabei an ihre Grenzen stoßen.).

Was bedeuten diese Beobachtungen für das Verständnis der menschlichen Evolution? Da wir es wieder mit Beobachtungen an modernen Menschen zu tun haben, erlauben sie uns lediglich einen Blick bis zu der afrikanischen Ursprungspopulation aus der wir alle hervorgegangen sind. Diese Menschen vor ca. 70 000 Jahren waren mit Sicherheit spezialisierte Werfer - das Werfen war ebenso wie der aufrechte Gang und die Sprache Teil ihrer biologischen Ausstattung und verdient es zweifellos mit ähnlichem Aufwand untersucht zu werden.  

Noch einmal zum Mitschreiben: Das Werfen ist beim Menschen nicht nur eine von vielen Tätigkeiten, sondern eine biologische Anpassungsleistung!

Wann und warum es zu Werfer-Anpassungen gekommen ist, können wir durch Untersuchungen der Ontogenese nicht ermitteln. Ebenso wenig läßt sich daraus ableiten, ob Neandertaler werfen konnten. Da das Werfen beim Menschen jedoch eine ausgesprochene Ganzkörpertätigkeit ist und sehr hohe Anforderungen an den Körperbau stellt, bestehen hervorragende Aussichten von der durch Fossilien dokumentierten anatomischen Entwicklung auf den jeweiligen Stand der Werfer-Anpassungen schließen zu können. Das Werfen bietet grundsätzlich wesentlich bessere Voraussetzungen dafür den zeitlichen Verlauf der Entwicklung dieser Anpassungsleistung zu rekonstruieren als der aufrechte Gang und erst recht als die Sprache. Die entscheidende Frage ist wohl, ob genügend Paläoanthropologen Lust, Zeit und Forschungsmittel haben  um dieser Frage nachzugehen. Eins ist klar: die Erforschung des Werfens ist wesentlich anspruchsvoller als die Erforschung des aufrechten Ganges und sie wird sich nicht auf anatomische Fragestellungen beschränken, sondern tief in den Bereich der Gehirnentwicklung hinein führen.

2 Reaktionen zu ““The ontogeny of throwing and striking” von Richard W. Young”

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