Pflege muß nicht altruistisch sein

Altruistisches Verhalten soll unsere Vorfahren nun bereits vor 1,8 Millionen Jahren charakterisiert haben. Als Beleg dafür dienen die Überreste eines Greises unter den Dmanisi - Homininen, der nur noch einen Zahn hatte und vermutlich nur dank der Unterstützung seiner Gruppenangehörigen so alt geworden ist.

Ich sehe das anders.

Die Dmanisi - Homininen standen am Übergang vom Homo Habilis zum Homo erectus. Der Armed Ape Theory zufolge war dieser Übergang eine Konsequenz daraus, dass der Homo habilis in eine Aasfresser - Nische eingedrungen war und durch Verbesserung insbesondere seiner Leistungsfähigkeit beim Werfen allmählich in der Rangordnung der Carnivoren aufstieg. Dieser Aufstieg hatte eine zunehmende Meidung seitens der ehemaligen Fressfeinde und damit einen erhöhten Geburtenüberschuss zur Folge. Der höhere Geburtenüberschuss ermöglichte einerseits das Überleben ausserhalb Afrikas (daher die Funde im Kaukasus), führte aber andererseits zu verschärften Revierkonflikten. Die unter Verwendung geworfener Steine ausgetragenen Revierkonflikte trieben einerseits die Anpassungen an das gezielte Werfen weiter voran - daher die deutliche Verschiebung der Körperproportionen und das Gehirnwachstum. Andererseits führten sie regelmäßig zu Knochenbrüchen.

Die häufigen Knochenbrüche führten dann ihrerseits zu zwei Entwicklungen. Einerseits kam es zur positiven Selektion von Skelettmerkmalen, die die Bruchwahrscheinlichkeit durch geworfene Steine verringerten (Verdopplung der Schädeldicke, fliehende Stirn, Überaugenwülste, deutlich robustere Langknochen u.s.w. ). Auf diese Entwicklungen bin ich bereits im “Zeitalter der Werfer” detailliert eingegengen. Andererseits kam es aber aus genetischer Sicht zu einer Kosten/Nutzen - Verschiebung beim Pflegen von Gruppenmitgliedern. Angesichts der hohen Bedeutung von Revierkonflikten barg der Verlust eines männlichen Gruppenmitglieds hohe Risiken auch für die anderen Gruppenmitglieder. Gleichzeitig wiesen Knochenbrüche im Vergleich zu tiefen Fleischwunden wesentlich bessere Heilungschancen auf, wenn der betroffene die Zeit relativer Hilflosigkeit überstand. Hier konnte mit relativ geringem Aufwand recht zuverlässig ein verwandtes Individuum am Leben erhalten werden - allein daraus hätte sich über die Verwandtenselektion ein Beitrag zur eigenen Gesamtfitness ergeben können, der den Pflegeaufwand rechtfertigte. Gleichzeitig konnte die Kampfkraft des Gruppenverbandes relativ schnell wieder hergestellt werden, woraus sich für alle Beteiligten ein Beitrag zur eigenen Sicherheit und der Sicherheit ihrer Nachkommen ergab. Dies schlug genetisch vermutlich noch stärker positiv zu Buche. Unter diesen Umständen könnte die Pflege hilfsbedürftiger, erwachsener Gruppenmitglieder genetisch positiv selektiert worden sein. Es wäre dann eine biologische Anpassungsleistung im Gefolge der Werfer-Anpassungen gewesen - aber kein Fall von genetischem Altruismus.

Mit dem Aufkommen altruistischen Verhaltens ist im Rahmen der ArmAT dennoch zu rechnen - spätestens seit dem Übergang zum modernen Verhalten des modernen Menschen.

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